Pilates als Cross Training
Was haben Lebron James, Cristiano Ronaldo und Tiger Woods gemeinsam? Sie nutzen Pilates als Cross Training. Denn schon lange ist Pilates keine reine Frauendomäne mehr, sondern für Menschen jeden Geschlechts ideal: Als herausfordernde, schonende Trainingsmethode, die ein Gleichgewicht zwischen Kraft, Beweglichkeit und Flexibilität herstellt.
Was ist Pilates genau?
Pilates ist ein systematisches Ganzkörpertraining erfunden von Joseph Hubertus Pilates (1883–1967). Dabei wird der Körper durch Symmetrie ausbalanciert, Muskelmuster verfeinert und die Tiefenmuskulatur gestärkt. Pilates besteht aus über 600 Übungen auf der Matte und an Geräten wie dem Reformer, Cadillac oder Wunder Chair.
Vor allem in den USA erfreut sich Pilates sehr großer Beliebtheit, in Deutschland ist die Trainingsform noch nicht weit verbreitet. Mitunter gibt es sogar Vorbehalte dagegen. Denn Vorzüge und Vorteile von Pilates sind vorwiegend bei Frauen bekannt. Und wir Männer? Lehnen typisch weibliche Trainingsmethoden leider oftmals ab, ohne sie richtig zu kennen. Auch ich hatte zunächst Vorurteile gegenüber Pilates – aber mein erster Kurs hat mich überzeugt.
Ich war am Anfang wirklich davon ausgegangen, dass Pilates eine Art sanfte Gymnastik ist mit pumpenden Armbewegungen. Dem ist aber überhaupt nicht so, denn nach dem ersten Kurs war ich körperlich an meine Grenzen gekommen. Ich wurde auf eine Art und Weise herausgefordert, welche ich so noch nicht kannte. Mein Körper fühlte sich trainiert und gekräftigt aber irgendwie auch leicht an. Die Tatsache dass ich viele Übungen des Pilates Repertoires noch nicht ausführen konnte, motivierten mich weiterzumachen und ich fing damit an Pilates täglich zu trainieren. Die körperliche Herausforderung wurde sozusagen von meinem Kopf und Körper angenommen. Ich spürte wie die Pilates Methode anfing zu wirken, aber dazu später noch mehr.
Was bedeutet Cross-Training?
Wenn man mindestens zwei Formen als Teil der regelmäßigen Sport-Routine betreibt, nennt man es Cross-Training. Cross-Training sorgt für eine willkommene Abwechslung, um Langeweile im Fitnessstudio oder zu Hause vorzubeugen.
Wer kennt nicht das motivierende Gefühl, nach Beginn einer neuen Sportart, recht schnell Fortschritte zu sehen und zu spüren. Doch nicht selten reagiert der Körper nach einer gewissen Zeit nicht mehr so intensiv auf die Trainingsreize, das lähmende Gefühl von Stagnation wird immer stärker. Für mehr Abwechslung und Trainingserfolge ist das parallele Ausprobieren einer neuen Sportart dann besonders empfehlenswert. Denn die Kombination aus mindestens zwei Sportarten hält die Motivation und den Spaß auf Dauer hoch. Bei Cross-Training ist es idealerweise sinnvoll, zwei Sportarten miteinander zu kombinieren, die sich ergänzen. Dafür ist Pilates bestens geeignet. Jedes gute Pilates-Training verbessert die Rumpfkraft, Stabilität, Flexibilität und Balance. Das ist für jeden Sportler elementar wichtig, egal ob als Profi oder als Hobby.
Schauen wir einmal genauer auf die einzelnen Bestandteile des Pilates-Trainings, was sie ausmacht und was sie bringen:
Pilates als Cross-Training: Core Strength (Rumpfkraft) und Stabilität
Die Übungen auf der Pilates-Matte und an den Geräten stärken nicht nur die äußeren Muskeln der Körpermitte, sondern auch die tiefen, inneren stabilisierenden Muskeln des Beckens, des Bauches und des Rückens: die Rumpfmuskeln.
Eine starke Rumpfmuskulatur ist wichtig für die Verringerung von Rücken- und Hüftschmerzen sowie Beckenbodenfehlfunktionen, von denen Hobbysportler
und Profisportler gleichermaßen betroffen sein können. Sehr wichtig für die effiziente Ausübung einer Sportart ist ein starker Rumpf, aus dem heraus explosive Bewegungen ausgeführt werden können. Im Pilates nennt man dies manchmal das „Powerhouse“. Wie stark sich zum Beispiel die muskulären Komponenten des Springens in Verbindung mit einem Pilates-Programm verbessern, wurde bei Volleyballern untersucht. Dabei verbesserte sich die Agilität, der sogenannte “vertical jump” und der “attack jump” der Akteure deutlich.
Auch Karthikeyan T unterstreicht mit seiner Studie „Pilates and Vertical Jump Performance of Basketball Players“ unter Basketballspielern, dass Pilates-Übungsgruppe deutliche Verbesserungen der Rumpfkraft im Bereich der vertikalen Sprungleistung zeigen als herkömmliche Rumpf Kräftigungsübungen.
Und in einer 8-wöchigen Pilotstudie mit jugendlichen Baseballspielern aus dem Jahr 2020 konnte eine signifikant positive Zunahme der Rumpfkraft, der Schulterkraft und des allgemeinen Körperbaus festgestellt werden.
Insgesamt stützt die Rumpfmuskulatur den Rücken und den Nacken. Sie fördert eine gesunde Körperhaltung und macht die Gelenke frei, so dass die Gliedmaßen natürlich beweglich bleiben. Diese Art von Kraft- und Beweglichkeitstraining lässt sich gut auf alle anderen Fitnessaktivitäten übertragen, um Fehlhaltungen zu vermeiden oder vorzubeugen.
Pilates als Cross-Training: Flexibilität
Ein angemessenes Maß an Muskelkraft und Flexibilität ist für eine gute Leistung des Bewegungsapparats von entscheidender Bedeutung. Mit zunehmender muskulärer Flexibilität können die Übungen mit größerem Bewegungsumfang, größerer Kraft, schneller, flüssiger und insgesamt effizienter ausgeführt werden.
Wichtig ist außerdem, auf den Zusammenhang zwischen Muskelverkürzungen und Muskelsehnenrissen hinzuweisen. Pilates erhöht nachweislich die Beweglichkeit von Fußballern und ist eine wichtige Alternative zur Vorbeugung von Verletzungen und zur Rehabilitation, die durch eine Verkürzung der Muskulatur ausgelöst wurden. Das Ziel sollte es sein, mit den Pilates-Übungen das gesamte Bewegungsspektrum zu trainieren.
Pilates als Cross-Training: Balance
In schnellen Wettkampfsportarten ist ein gutes Gleichgewicht unerlässlich.
Dynamisches Gleichgewicht bedeutet, dass man in einer sich ständig verändernden Umgebung mehr Kontrolle über den Schwerpunkt hat. Man kann schneller auf Hindernisse reagieren, wenn plötzlich der Takt oder die Richtung geändert werden müssen (Tennis, Basketball, Fußball oder American Football). Ein weiterer bemerkenswerter Vorteil eines guten Gleichgewichts ist das geringere Verletzungsrisiko, da man durch eine bessere Balance Stürze vermeidet. Beim Pilates wird das Gleichgewicht mit verschiedenen Übungen im Stehen auf dem Reformer, Cadillac und Wunder Chair herausgefordert.
Die Pilates-Methode verbessert nicht nur Rumpfkraft, Stabilität, Flexibilität und Balance, sondern auch Koordination und die Mind-Body Connection.
Pilates als Cross-Training: Koordination
Um das Zusammenspiel der Muskulatur im Allgemeinen zu verbessern, setzt man in jedem Training Pilates-Übungen neu zusammen. Dieses fordert die Trainierenden jedes Mal aufs Neue heraus, man kann andere Reize setzen und hat die Möglichkeit, die Koordination zu verbessern. Denn in dem Pilatesrepertoire gibt es unendlich viele Bewegungskombinationen von jedem Körperteil in verschiedenen Ebenen – sagittal, frontal und transversal. Dies fordert die Koordination und das Gehirn auf immer neue Weise heraus, während die neuromuskulären Muster verfeinert werden. Man definiert Koordination als die Fähigkeit, den Körper reibungslos und effizient in verschiedenen Bewegungsmustern zu bewegen. Übungen, die die Koordination herausfordern, beanspruchen das Kleinhirn. Das Kleinhirn steht in Verbindung mit der Fähigkeit zu denken und der Geschwindigkeit, mit der Informationen verarbeitet werden können. In rasanten Sportarten kann schnelles Denken über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Pilates als Cross-Training: Mind-Body-Connection (Die Verbindung zwischen Körper und Geist)
Pilates ist eine Geist-Körper-Routine, die das Körperbewusstsein fördert, indem wir uns auf die Empfindungen des Körpers, Schmerzen, Komfort/Unbehagen, Emotionen und die Umgebung konzentrieren. Körperbewusstsein ist die Verbindung zu dem eigenen Körper, auch bekannt als Kinästhesie. Dieses Bewusstsein umfasst die räumliche Orientierung und Position des Körpers in Bezug auf Muskeln, Gelenke und Schwerkraft. Daran beteiligt sind das propriozeptive System und das vestibuläre System.
Pilates als Cross-Training: Regeneration
Die Pilates-Methode ist so anpassungsfähig, dass sie auch als Regeneration zwischen aktiven Trainingseinheiten genutzt werden kann und die Übungen selbst bei Verletzungen modifizieren werden können.
Pilates zählt zu der Kategorie moderate körperliche Aktivität, weil einige Übungen im liegenden oder sitzenden Zustand durchgeführt werden. Das heißt, man kann anstatt den müden Körper durch Training noch müder zu machen Pilates als Regenerationstraining benutzen. Man kann sozusagen trainieren, ohne sich gleichzeitig zu verausgaben. Denn es ist nicht immer notwendig die großen Muskeln herausfordern, um die Leistung des Körpers zu verbessern. Die kleinen und tiefen Muskeln anzusteuern, das ist was eine effizientere Muskelrekrutierung erzeugt und Leistung bringt. Wer möchte denn nicht zum Beispiel mit verbesserter Haltung auf dem Rennrad sitzen oder beim Laufen die Beine entlasten, weil die Rumpfmuskulatur ausreichend gekräftigt, also aktiv ist.
Mein persönlicher Bezug zu der Pilates Methode und was mich daran so begeistert
Was mich an der Pilates Methode so begeistert ist, dass sie so universell anpassbar und einsetzbar ist, so dass Hochleistungssportler genauso wie Hobbysportler davon profitieren können. Es gibt Tausende von Variationen oder Modifikationen der Übungen, so dass die Herausforderung und Motivation hoch bleiben.
Als ich meinen ersten Pilates Kurs 2012 besuchte, konnte ich gar nicht glauben, wie viele Übungen ich nicht ausführen konnte. Ich war damals überzeugt davon, dass mein tägliches Tanztraining vollkommen ausreicht, um den Anforderungen meines Berufs als professioneller Bühnentänzer gerecht zu werden. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich den Begriff des Cross-Trainings noch nicht. Es war meine Ehefrau Hannah, die mich auf die Vorteile, verschiedene Sportarten zu trainieren, aufmerksam machte. Da ich mich in meinem Beruf auf meinen eigenen Körper verlassen musste, war es an der Zeit, in ihn zu investieren und ich nahm täglich an Pilates-Kursen teil. Ich spürte sehr schnell große Fortschritte gerade in dem Bereich der Rumpfstabilität, welches einen großen und positiven Einfluss auf meine Balance hatte. Da man als Profitänzer gerade in der Choreografie viele einseitige Bewegungsabläufe tausende Male bis zur Perfektion wiederholen muss, war es sehr wichtig, einen Ausgleichssport zu haben. Dieses kann man durchaus auch auf andere Sportarten übertragen. Es war beeindruckend, zu spüren, wie Pilates meinen Körper schmerzfreier, widerstandsfähiger und leistungsfähiger gemacht hat. Heute nach meiner Profi Tanz Karriere trainiere ich immer noch täglich Pilates, da es meinem Körper unheimlich gut tut. Es ist eine Art Hobby geworden, das ich in meinem Trainingsalltag nicht missen möchte.
Pilates als Cross-Training: Die Vorteile von Pilates im Überblick:
- steigert die sportliche Leistung
- verbessert die kognitiven Fähigkeiten
- steigert das Gleichgewicht
- erhöht die Flexibilität und Mobilität
- verhindert Verletzungen
- lindert Rückenschmerzen
- verbessert die Körperhaltung
- stärkt die Rumpfmuskulatur
Zusammenfassung:
Pilates eignet sich als Trainingsmethode zum Cross-Training, denn sie verleiht gerade der Rumpfmuskulatur in einer Art und Weise Stabilität, welche man, meiner Meinung nach, in keiner anderen Sportart finden kann. Diese Stabilität macht den Körper und die Bewegungen effizienter. Pilates trainiert die Mind-Body-Connection, die Rumpfkraft und Stabilität, verbessert Koordination, Balance, Flexibilität und kann als Regeneration verwendet werden. Durch die ständige Abwechslung und die Option, Übungen zu modifizieren, sind die Kombinationen der Pilates-Methode sehr vielfältig und niemals langweilig. Dadurch wird der Körper immer wieder aufs Neue herausgefordert, was gleichzeitig der Trainingsmotivation hilft.
Diese Argumente sprechen alle dafür, dass sich Pilates hervorragend als Cross-Training eignet. Ich empfehle Jedem, es zumindest einmal auszuprobieren.
TEXT: Christian Teutscher, Pilates Trainer und ehemaliger Profi Bühnentänzer
Ursprünglich veröffentlicht im Body Pioneer
Pamela Toy (2021) 25 Professional Male Athletes Who Do Pilates in 2021 https://pilatesbypamela.com/blog/pro-athletes-pilates/ (abgerufen am 16.09.2021)
International Journal of Physiotherapy and Research, Int J Physiother Res 2014, Vol 2(6):793-98. Online abgerufen am 1.09.2021 unter https://www.ijmhr.org/ijpr.2.6/IJPR.2014.695.pdf Seite 793-798
Karthikeyan T: Pilates and vertical jump performance of basketbal Scholars Press https://my.scholars-press.com/catalog/details//store/gb/book/978-613-8-94361-7/pilates-and-vertical-jump-performance-of-basketball-players abgerufen am 27.10.2021
Effects of 8-week Pilates training program on hamstring/quadriceps ratio and trunk strength in adolescent baseball players: a pilot case study. Online abgerufen am 27.09.2021 unter https://europepmc.org/article/pmc/pmc7056474
Effects of a training program using the Pilates method in flexibility of sub-20 indoor soccer athletes 2007 (englische Version), online abgerufen am 27.9.2021 unter https://www.scielo.br/j/rbme/a/8wZrYLxNKPwV74zqdzb5sHK/?format=pdf&lang=en
Pontificia Universidade Católica do Rio Grande do Sul Effects of Pilates Standing Exercises on Walking Mobility and Postural Balance 2018 https://clinicaltrials.gov/ (online) https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03526757 (abgerufen am 19.08.2021)

Hannah Teutscher
Als Inhaberin von Performance Fit Pilates ist sie leidenschaftlich bemüht, ihre Freude an Bewegung und Fitness weiterzugeben, um ihre Trainierenden zu inspirieren, herauszufordern und zu motivieren, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Das Wohlbefinden, die Sicherheit und das Glück ihrer Kursteilnehmer liegen ihr sehr am Herzen und sie ist bestrebt, jedes Training zu einer herausfordernden und lustigen Lernerfahrung zu machen. Sie möchte, dass Du "Dein bestes Ich bist".
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